Mein Beitrag zur Blog-Parade: Wie ist dein Arbeitsplatz der Zukunft?
Bianca Gade, die sympathische Networkerin, die mich mit ihren Aktionen immer mal wieder kreativ provoziert, hat eine Blogparade initiiert: „Mit dieser Parade“, so Bianca auf dem netmedia schreib.blog enterprise 2.0, „möchten wir uns ganz gezielt an alle Wissensarbeiter wenden und an solche, die es vielleicht mal waren oder noch werden möchten. Wir schreiben heute eine Blogparade aus, von der wir selbst gespannt sind, wie sie sich entwickelt.“
Nun, „Wissensarbeiter“ bin ich, netzaffin ebenfalls und neugierig allemal. Also habe ich mich entschlossen, mitzumachen, obwohl ich bislang weder wusste, was eine Blogparade ist (Blogparade.FAQ), noch etwas mit der Fragestellung „Wie ist dein Arbeitsplatz der Zukunft?“ anfangen kann. Aber genau das meine ich mit kreativer Provokation.
Der Begriff Arbeitsplatz war für „Wissensarbeiter“ wie mich schon immer ein Anachronismus. Denn woraus bestand die Arbeit als PR- und Unternehmensberater in der Vergangenheit und besteht meine „Wissensarbeit“ als Journalist, Buchautor und Coverdesigner in der Gegenwart und (hoffentlich) Zukunft eigentlich? Zunächst einmal allgemein gesagt nicht in einem Arbeitsplatz im Sinne einer eindeutigen Verortung und auch nicht in einem Arbeitsplatz im Sinne einer Festanstellung, also einer abhängigen (natürlich sozialversicherungspflichtigen) Beschäftigung – ein Konstrukt aus der Industriearbeit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Mein Arbeitsplatz bin ich!
Mein Arbeitsplatz – wenn wir bei diesem Begriff bleiben wollen, der mit „meine Arbeit“ treffender besetzt wäre – erstreckt sich zunächst einmal auf all jene realen und virtuellen Orte, die für meine Informationsbeschaffung notwendig sind. Die Informationsverarbeitung findet in meinem Kopf statt, nahezu unabhängig davon, wo der sich gerade befindet. Die Informationsvermittlung beziehungsweise die Publikation ist ebenfalls relativ unabhängig von meinem persönlichen Aufenthaltsort – es sei denn ich halte einen Vortrag oder eine Lesung oder veranstalte eine Präsentation beim Kunden. Diese körperliche und mentale Mobilität war schon immer Bestandteil und Voraussetzung meiner „Wissensarbeit“, die technologischen Entwicklungen haben die konkrete „Wissensarbeit“ nur bedingt, die organisatorischen Rahmenbedingungen einschließlich der Marktstrukturen und Arbeitsinstrumente allerdings erheblich verändert.
Keine Zukunft ohne Demokratie
Es ist in diesem Rahmen wirklich müßig, die Möglichkeiten und Perspektiven zu beschreiben, die die neuen Technologien, das Web, die an jedem Ort – weil ungemein handlich und leistungsfähig – einsetzbaren Arbeitsgeräte mit all ihren virtuellen Kommunikationsmöglichkeiten – einschließlich der überall verfügbaren Cloud – einer immer unabhängiger, transparenter und selbstbestimmter werdenden „Wissensarbeit“ – von der auch ich träume – bieten. Aber diese so oft formulierte Vision – die technologisch bereits heute problemlos denkbar ist – klammert leider viele Realitäten, ohne die diese Vorstellungen eher technoromantische Illusion bleiben, aus.
Konkret bedeutet das: meine Arbeit hat nur dann eine Zukunft, wenn der Zugang zu und die Nutzung der Kommunikationstechnologien verallgemeinert werden. Das setzt aber ein reformiertes Bildungssystem (und zwar eines, das nicht unter dem Primat der Technologie steht, sondern die mentalen Voraussetzungen schafft, diese sinnvoll zu nutzen!) voraus. Das setzt eine wirklich flächendeckende Verfügbarkeit eines schnellen Netzes voraus. Das Grundrecht auf kostenlose Basis-Web-Versorgung, unabhängig vom Einkommen, die Abkehr von der Vorstellung abhängiger Beschäftigung (in allen Bereichen) und die Entwicklung einer wirtschaftsunabhängigen, allgemeingültigen sozialen Sicherungsstruktur, die dafür sorgt, dass dort nicht nur die Bedürfnisse privilegierter Auto- oder IT-industriearbeiter oder der politischen Klasse, sondern auch die der Träger der Informations- und Wissensgesellschaft Berücksichtigung finden.
Keine Zukunft ohne Menschen
Ich stelle mir vor, ich gehe hier im Dorf vor die Tür und kann mich mit den Nachbarn über meine Arbeit, die neuesten web-Ereignisse oder Fragen zur Gestaltung der dorfeigenen Blogpräsentation unterhalten – aber mich versteht hier niemand, weil, um es mal diplomatisch zu formulieren, die Bewohner dieser Region (einschließlich der politischen, administrativen und teils auch kreativen Kräfte) einen sehr engen Bezug zum „Bewährten“ haben. Dabei stelle ich mir auch noch vor, für das Hochladen dieses Beitrags auf mein Blog nicht mehr Zeit zu benötigen, als ich zum Verfassen desselben gebraucht habe. Und schön wäre es, wenn mir mehr Zeit bliebe, mit realen Menschen zu arbeiten und privat zu kommunizieren, statt während meiner Arbeit und Kommunikation im Netz während der up- und downloads oder dem Seitenwechsel über die Natur von Internetfrequenzen philosophieren zu müssen.
In der Schule fängt sie an
Wie schön wäre es, wenn die Kinder in der Schule mit ihren Tabletts oder Pads in der Hand im Geschichtsunterricht beispielsweise meine Kindle-Publikationen „Kulturgeschichtliche Aspekte zu . . . “ lesen und kompetent angeleitet durch den Lehrer (wie sieht es denn bei dem als „Wissensarbeiter“ aus?) oder gegebenenfalls auch durch mich selbst über die darin enthaltenen Links zu weiterführenden Seiten sich interaktiv Inhalte erarbeiten könnten. Das wäre billiger als jedes Schulbuch (und übrigens immer aktuell), vorausgesetzt „Klassensätze von Pads“ würden zur Grundausstattung einer jeden Schulbibliothek gehören.
Vielleicht wird an diesen Träumen deutlich, dass die hier abgefragte Zukunft der „Wissensarbeit“ (oder ging es doch nur um den im gesellschaftlichen Sinne traditionellen Wissensindustrie-Arbeitsplatz) keine Frage von Träumen, Technologie oder der Einstellung von Unternehmen ist. Soll es nicht nur darum gehen den verschiedenen privilegierten Gruppen unseres Landes, die sich auf Kosten vermeintlich unqualifizierter, in jedem Fall aber von der Teilhabe ausgeschlossener Billiglöhner, Aufstocker und HartzIVler, ihre Zukunftsträume verwirklichen, eine weitere hinzuzufügen, sind vor allem anderen neue demokratische gesellschaftliche Rahmenbedingungen für alle erforderlich. Die Zukunft der „Wissensarbeit“ oder sehr viel besser der „Gedankenarbeit“ wie der Autor des Mondspiegelblog vorschlägt, liegt im Blick über den sozialen Tellerrand.
Natürlich ist meine Antwort nur sehr spotartig, meine Gesellschaftsvision innerhalb derer ich ernsthaft meine Vorstellungen vom „Job der Zukunft“ formulieren könnte, würden natürlich eine umfangreichere Publikation erfordern.
Und hier geht’s zum netmediablog, auf dem in den Kommentaren auch die anderen Blogparade-Beiträge zugänglich gemacht sind.
Hallo Wolfgang,
was für großartige Gedanken, hab vielen Dank! Kai ist übrigens der Autor von Mondspiegel und selbst auch Autor. Interessant, dass Du ihn erwähnt hast. Hoffe ihr folgt Euch schon auf Twitter? Schau mal unter @lao_tse 🙂
Lieben Dank für´s Mitmachen, der Beitrag ist wirklich sehr bereichernd!
VG Bianca
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Hallo Wolfgang,
als eingefleischter Naturwissenschaftler mag ich Visionen und verbinde sie auch gleich mit den entsprechenden Analysen und Modellen. Manches von Deinen Vorstellung ist sicher wert analysiert zu werden. Wie vor einiger Zeit schon geagt, vielleicht ergibt sich daraus mal ein gemeinsames Projekt. Jetzt gehe ich mal zu dem von die vorgeschlagenen Link. Bis bald.
Uwe
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