1812: Die amerikanische Fregatte USS Constitution vernichtet die britische HMS Guerriere

Die Geburt des Mythos von der unschlagbaren US-Navy

Während des amerikanisch- britischen Krieges von 1812, hatten die wohl spektakulärsten Fregattenduelle stattgefunden. Dazu zählen die Gefechte zwischen der USS United States und der HMS Macedonian, der USS Constitution und der HMS Java sowie der USS Chesapeake und der HMS Shannon. Das Duell zwischen der USS Constitution und der HMS Guerriere gehört dabei zu jenen, die den Mythos der unschlagbaren US-Navy begründet hatten. Es waren komplexe Zusammenhänge zwischen den napoleonischen Kriegen in Europa, der in diesem Zusammenhang stehenden britischen Handelsblockade amerikanischer Häfen und nicht zuletzt amerikanischen Ambitionen zur Eroberung Kanadas, die am 18. Juni 1812 zur Kriegerklärung der USA an Großbritannien führte.

Kapitän Isaac Hull von der USS Constitution* war auf der Suche nach seinem Geschwader unter Kommodore John Rodgers, als er am 18. August 1812 von einem amerikanischen Freibeuterkapitän über die Anwesenheit einer allein segelnden britischen Fregatte, der Guerriere, informiert wurde und sich sofort auf die Jagd machte. Kapitän Dacres – mit dem Kommando über die britische HMS Guerriere** betraut – war vor Ausbruch des Krieges ausgerechnet zur britischen Flotte in den amerikanischen Gewässern abkommandiert worden. Für einen ehrgeizigen Fregattenkapitän war dies einer der karriereschädlichsten Posten überhaupt. Während seine Kollegen in den karibischen oder europäischen Gewässern Spanier und Franzosen bekämpfen und feindliche Freibeuter als profitable Prisen*** aufbringen konnten, pflegten die Offiziere der amerikanischen und britischen Marine soziale Kontakte untereinander. Auch Hull und Dacres kannten sich aus der Vorkriegszeit und hatten über die Vor- und Nachteile ihrer Schiffe diskutiert. Selbstverständlich war Dacres davon überzeugt, dass die Schnelligkeit und Wendigkeit seiner Guerriere der stärkeren Feuerkraft der mächtigen Constitution überlegen sei.

Das Treffen der Duellanten – Klar Schiff zum Gefecht

Die USS Constitution entkommt der britischen Flotte, indem sie sich in einer Flaute von ihren Beibooten wegschleppen lässt.

Die USS Constitution entkommt der britischen Flotte, indem sie sich in einer Flaute von ihren Beibooten wegschleppen lässt.

Dacres war also nicht nur froh über den Ausbruch des britisch-amerikanischen Krieges, sondern sowohl Hull als auch der Brite waren wild darauf, sich mit einer jeweils gegnerischen Fregatte zu messen. Dacres hatte sogar dafür gesorgt, dass sich in den amerikanischen Küstengewässern die Nachricht verbreitete, er würde jede US-Fregatte zu einem Zweikampf herausfordern. Einer solchen Herausforderung an den Kapitän der USS Constitution hätte es ohnehin nicht bedurft, denn auch der hatte nicht nur Grund, sich im Gefecht auszuzeichnen, sondern war auf der Suche nach seinem Geschwader seinerseits von der britischen Flotte – darunter auch die HMS Guerriere – gejagt worden und ihr nur knapp entkommen.

Am 19. August 1812 um 14.00 Uhr jedenfalls meldeten die Ausgucks der beiden Fregatten die jeweils gegnerischen Segel am Horizont und bereiteten sich unter den obligatorischen Trommelwirbeln auf die Schlacht vor. Störende Zwischenwände wurden eingerissen, die wertvollen Möbel der Kapitäne tief im Rumpf verstaut, Munition herbeigeschafft, die Decks mit Sand bestreut, die Kanonen geladen und die Seesoldaten in die Masten geschickt, vor allem, um die jeweils gegnerischen Offiziere auf den Achterdecks auszuschalten.

Die stabile Bauweise, das Gewicht der Breitseiten und geschicktes Manövrieren führen zum Sieg der amerikanischen Fregatte

Die USS Constitution im Gefecht mit der HMS Guerriere

Um 16.30 eröffnete die Guerriere das Feuer. Ohne es zu erwidern manövrierte Hull sich in die bessere Position und um 18.05 Uhr begann der Austausch der Breitseiten auf Parallelkurs. Rund 15 Minuten später fiel der Großmast der britischen Fregatte, nach weiteren fünf Minuten kreuzte die Constitution feuernd den Kurs der Guerriere und entmastete die britische Fregatte dabei vollständig. Während das britische Schiff hilflos in der See trieb, reparierten die Amerikaner ihre verhältnismäßig leichten Schäden in der Takelage und kehrten anschließend zum Wrack der Guerriere zurück. Um 19.00 Uhr ergab sich Dacres ohne weiteren Kampf dem amerikanischen Kapitän. Die britische Fregatte war so stark beschädigt, dass es keine Chance mehr gab, sie als Prise in den nächsten Hafen zu bringen. Hull entschied sich, die Guerriere zu evakuieren und in Brand zu setzen. Mit der Explosion der Pulverkammer verschwand das britische Schiff schließlich gegen 15.00 Uhr des folgenden Tages in den Tiefen des Meeres.

Der Sieg der amerikanischen Fregatte bedeutete einen gewaltigen Schock für das Selbstbewusstsein der britischen Nation. Immerhin hatten die britischen Fregatten seit 1794 jedes Gefecht mit französischen, mit 24-Pfündern bewaffneten Gegnern für sich entscheiden können und damit einen  Ruf der Unbesiegbarkeit begründet.

Spektakuläre Einzelgefechte verändern die Vorstellungen über maritime Kräfteverhältnisse

Eigentlich hätte es diese Duelle und die Siege der US- Fregatten in dieser Form gar nicht geben dürfen, denn trotz ihrer Größe und Kampfkraft hätten die rund ein Dutzend Fregatten der amerikanischen Marine unter normalen Umständen den Hunderten von Fregatten und Linienschiffen der Royal Navy kaum etwas entgegensetzen können. Aber natürlich konnten die Briten ihre damals insgesamt rund 680 Kriegsschiffe umfassende Flotte aufgrund ihres weltweiten Engagements und des Krieges gegen Frankreich und seine Verbündeten nur in relativ bescheidenem Maße gegen Amerika ins Spiel bringen. Im Klartext: Gerade einmal drei ältere Linienschiffe (64 bis 100 Kanonen) und ein 50- Kanonen- Zweidecker befanden sich als Flaggschiffe der insgesamt etwa 15 Fregatten und 33 kleineren Kriegsschiffe der britischen Marine in den nordamerikanischen Gewässern.

Die Briten verspielen ihre Überlegenheit durch Nachlässigkeit und Überheblichkeit

Das Gefecht zwischen der USS United States und der HMS Macedonian

Mit den großen, stabilen und schwer bewaffneten Fregatten des Konstrukteurs Joshua Humphreys war die US- Marine  in den heimischen Gewässern daher eine durchaus ernstzunehmende Größe. Hinzu kam, dass Ausbildungsstand und Erfahrung der amerikanischen Offiziere und Besatzungen denen der Royal Navy in jeder Hinsicht gleichzusetzen waren. Aber trotz der spektakulären Siege der großen amerikanischen Fregatten gegen den in jener Zeit als unschlagbar geltenden Gegner zeigt die Analyse der Duelle, dass vor allem auch Überheblichkeit, Ehrgeiz und Fehleinschätzungen seitens der britischen Kommandanten zu den amerikanischen Siegen und damit auch die Grundlage zur Mythenbildung einer glorreichen US- Marine geführt hatten. Nachlässigkeit beim Drill der britischen Amerikaflotte, Zwangsrekrutierung amerikanischer Seeleute für die britischen Schiffe mit den daraus folgenden Loyalitätsproblemen und nicht zuletzt hinausgeschobene Wartungs- und Instandhaltungsmaßnahmen an den Schiffen reduzierten die Kampfkraft der britischen Marine zumindest in Einzelduellen erheblich.

Die amerikanische Navy und ihre britische Tradition

Duell zwischen der USS Constellation und der französischen Insurgente im Quasi-Krieg

Der Ursprung der US Navy wurde aber nicht im Krieg von 1812, sondern bereits im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg und im sogenannten Quasi- Krieg gelegt, jenem Konflikt zwischen den Vereinigten Staaten und Frankreich, der zwischen 1798 und 1800 ausschließlich zur See ausgetragen wurde. In Zusammenhang mit den Unabhängigkeitskriegen hatte der amerikanische Kongress den Bau von 20 Fregatten beschlossen. Und Amerika war durchaus in der Lage große Kriegsschiffe zu bauen. Immerhin waren auf seinen Werften doch seit Ende des 17. Jahrhunderts Schiffe für die Royal Navy entstanden, darunter die Falkland, ein Zweidecker vierten Ranges (50 -60 Geschütze) und das 44- Kanonenschiff Amerika, ebenfalls ein Zweidecker.

Auch wenn die Fregatten der ersten amerikanischen Flotte insgesamt nicht sehr erfolgreich agierten und das Bauprogramm nicht zu Ende gebracht werden konnte, die neuen amerikanischen Schiffe setzten weltweit durchaus Maßstäbe. Die kleinsten amerikanischen 32- Kanonen- Fregatten waren mit rund 44 Metern bereits 2 Meter länger als die durchschnittlichen britischen 32er und sie waren mit schwereren Geschützen bewaffnet. Unter den europäischen Seemächten, allen voran natürlich Großbritannien und Frankreich begann nun bei den Fregatten ein Wettrüsten der Größe.

Die mittleren und leichten Fregatten prägten das Bild der US-Navy

Die Amerikaner kehrten jedoch Ende des 19. Jahrhunderts zum Bau kleinerer Fregatten zurück. Ein klarer Rückschritt, wie sich herausstellen sollte. Verantwortlich hierfür waren der Einfluss des in England ausgebildeten Schiffbauingenieurs Josiah Fox sowie Fehleinschätzungen bei der Beurteilung einzelner Erfolge bei Zweikämpfen mit französischen Fregatten im Quasi- Krieg.

Auch wenn sich – nicht zuletzt wegen der denkwürdigen Fregattengefechte im Krieg von 1812 – vor allem die beiden schweren Fregatten der „ersten Stunde“, die Constitution und die United States in das öffentliche Bewusstsein eingeprägt haben, die mittleren und leichten Fregatten waren es, die die amerikanische Marine Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts geprägt hatten.

Im Kapitel IV. Balchin Nelson & Co, die Zeit der Fregatten und Linienschiffe des Buches „Kulturgeschichtliche Aspekte zur Schifffahrt des 16. Bis 19. Jahrhunderts“ findet der Leser weitere Informationen zur amerikanischen Marine und den Marinen und Schiffen zur Zeit der der napoleonischen Kriege

* Constitution zur Zeit des Gefechts: Länge über das Batteriedeck ca. 53 Meter, Bewaffnung 32 – 24-Pfünder****, Breitseitengewicht: 319 Kilogramm. Besatzung 456 Mann ( regulär 475)

** Guerriere zur Zeit des Gefechts: Länge des Batteriedecks ca. 46 Meter, Bewaffnung 30 – 18-Pfünder und 2 12-Pfünder, Breitseitengewicht: 244 Kilogramm. Besatzung 272 Mann (regulär 300)

*** Prise: Aufgebrachte Schiffe des Gegners, die von der Navy an- oder verkauft wurden. Der Erlös wurde auf die Besatzung und die jeweiligen Vorgesetzten aufgeteilt, wobei auf Kapitän und Offiziere der jeweilige Löwenanteil entfiel.

**** Die Kanonen jener Zeit wurden nach dem Gewicht ihrer Geschosse  eingeteilt. Standardkaliber waren: 6-, 8-, 12-, 18-, 24-, 36-, 68-Pfünder (englisches Pfund: 0,453 Kg).

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