der ältesten Schiffskatze von Ihrer Majestät Ostsee-Flotte
an
Sir Graham,
Vorstand der Admiralität und Lord-Rattenfänger in London.
Mylord! Schon vor längerer Zeit benachrichtigten mich mehrere im Dienst der Königin stehende Katzen, dass sich an Bord des Admiralitätsschiffes (vielleicht in Folge der langen Unthätigkeit) Ratten befinden müßten, und das junge Midship-Kätzchen Mimi sah wirklich drei dieser Unverschämten in der Mündung eines 60 Pfünders, war aber natürlich zu schwach, um den Kampf mit ihnen aufzunehmen. Ich schickte sogleich eine Abtheilung meiner Angehörigen unter dem Befehl des Contre-Katers Miau ab, um eine Ratzia zu veranstalten. Dem heroischen Muth unserer Katzenschaft gelang es, das Geschütze zu entsetzen und die Kanonenmündung frei zu machen. Von feindlicher Seite entkam niemand; unsrerseits beklagten wir einige Verwundete, die größtenteils in den Schweif gebissen wurden. Besonders hat sich obenerwähnte Mimi und eine freiwillige Katze, Namens Mitzi ausgezeichnet. Der Contre-Kater Miau, der die Expedition leitete, ist der Gegenstand allgemeiner Verehrung. Der Admiral Napier zog folgendes Signal auf: „Unser erster Sieg gehört der Katz.“ Die Katzen aller Schiffe bestiegen die Raen und brachten ihre Zurufe.
Hochachtungsvoll, schwarz auf weiß gezeichnet
Die Älteste Schiffskatze
von Ihrer Majestät Ostsee-Flotte
Aus Münchener Punsch, Humoristisches Tageblatt von 1854
Hintergrund
Am 11. März 1854 lief die britische Ostsee-Flotte unter großem Jubel der Bevölkerung, pompös verabschiedet von der Queen auf der Königlichen Jacht, aus Spithead aus, um im Rahmen des Krim-Krieges die russischen Ostseehäfen zu blockieren und die russische Flotte niederzukämpfen. Die russische Flotte stellte sich ihren Gegnern unter Admiral Charles John Napier jedoch nicht. Daraufhin wurden in den folgenden Wochen russische Werften und Häfen angegriffen und bombardiert. Das Bild zeigt das britische Bombardement der Festung Bomarsund.
Die Satire spielt auf den Konflikt zwischen dem Chef der Admiralität Sir James Graham und dem Admiral der Ostsee-Flotte Napier an, den Karl Marx in seinem Beitrag für die „New-York Daily Tribune vom 24. September 1855 dokumentiert. In diesem Bericht charakterisiert Marx den obersten Admiral als „Sir Robert Peels schmutziger Junge.“. Und weiter schreibt Marx:
„Sir Robert Peel war ein ehrenhafter, wenn auch kein großer Mann; vor allem aber war er ein britischer Staatsmann, ein Parteiführer, der eben durch die Erfordernisse seiner Stellung gezwungen war, viel schmutzige Arbeit zu verrichten, die zu tun ihm recht zuwider war. Da erwies sich denn Sir James als eine wahre Gottesgabe, und so geschah es, daß Sir James ein unentbehrlicher Mann und damit auch ein großer Mann wurde.“
Demgegenüber gehörte „Sir Charles Napier […] einer Familie an, die sich ebenso durch ihre Begabung wie durch ihre Exzentrizitäten auszeichnet. Inmitten der heutigen friedlichen Menschheit machen die Napiers den Eindruck irgendeines primitiven Stammes, der wohl die natürliche Begabung besitzt, sich die Errungenschaften der Zivilisation anzueignen, der sich aber nicht ihren Konventionalitäten beugen, nicht ihre Etikette respektieren oder sich ihrer Disziplin unterwerfen will. Haben die Napiers auch dem englischen Volk stets gute Dienste erwiesen, so haben sie doch ständig mit ihrer Regierung gestritten und sich gegen sie aufgelehnt. Und besitzen sie das Selbstbewußtsein der homerischen Helden, so ist ihnen auch etwas von deren prahlerischem Wesen gegeben.“